Was wäre, wenn Franz Kafka nicht mit 40 Jahren an Tuberkulose verstorben wäre? Wenn er stattdessen am Tag nach seinem vermeintlichen Tod die Augen aufgeschlagen und sich an seinem Krankenbett eine ungewöhnlich große, ungewöhnlich eloquente Kakerlake als Pflegekraft befunden hätte? Die ihm noch dazu ungewöhnlich bekannt vorkäme? Schon bald werden Kafka und Gregor Samsa von einer geheimnisvollen Agentur als Privatermittler engagiert, denn im Wien des Jahres 1924 kommt es zu einer ebenso mysteriösen wie bizarren Mordserie - und des Rätsels Lösung ist absurder als alles, was Kafka sich jemals selbst hätte ausdenken können ...
Quelle: Penguin RandomHouse
Nachdem ich den Klappentext gelesen habe, dachte ich mir: das klingt so skurril, das kann nur gut werden!
Jon Steinhagen hat eine Geschichte weitergesponnen, diese mit einer abstrusen Mordserie gewürzt, Wortwitz, Situationskomik und geheimnisvolle Rätsel beigemischt und einen ungewöhnlichen Ermittler hinzugefügt.
Die mystisch angehauchten Vibes haben die Stimmung gedrückt und ließen die Schatten noch bedrohlicher wirken. Mir hat es ebenfalls gefallen, wie der Autor die Atmosphäre des damaligen Wiens einfängt und mit eingeflochten hat.
Durch die verschiedenen Sichtweisen auf das Geschehen wurde ein noch geheimnisvolleres Bild gezeichnet. Mit Spannung habe ich den Fall verfolgt und wurde hin und wieder aufs Glatteis geführt. Es gibt gut platzierte Hinweise, ungewöhnliche Ermittlungsmethoden und ein abenteuerliches Unterfangen, das mich herrlich unterhalten hat. Einiges sprengt die Grenzen des Verstandes, aber was habe ich auch anderes erwartet?
Jede Figur war an Seltsamkeit kaum zu übertreffen. Inspektor Beide redet ohne Luft zu holen und hat mich nicht nur mit Worten überfallen, sondern praktisch niedergewalzt. Außerdem haben die Personen die Angewohnheit aus dem Nichts aufzutauchen und nach Belieben wieder zu verschwinden.
Was ich ebenfalls sehr charmant fand, war die Akzeptanz von Franz, was seinen Nicht-Tod betrifft. Er und sein tierischer Freund stürzen sich mit Humor in dieses wirre Erlebnis und zeigen eine sture Hartnäckigkeit.
In der Mitte gab es tatsächlich ein paar Längen, in denen mir vor allem die Weiterentwicklung gefehlt hat. Dafür kam die Auflösung des Falls sehr plötzlich, passte aber vom Grad der Seltsamkeit ins Bild.
Kafka und ich hatten zwar bis zum Ende keine Ahnung, warum gerade er auf diese Reise geschickt wurde, aber ich glaube wir hatten beide Spaß, haarsträubende und verstörende Momente und noch mehr skurrile Situationen.
Was halte ich nun von der Geschichte? Ich glaube dem Autor ist es gelungen tief in meine Gehirnwindungen zu kriechen, mich zu verwirren und immer wieder die Frage aufzuwerfen: ist das nun echt oder bilde ich mir alles ein?
Fazit: Jon Steinhagen hat sich mit »Kafka und der Tote am Seil« an Abstrusitäten kaum übertreffen können. Ich habe mich bei der ganzen Geschichte gut unterhalten gefühlt und jetzt total Lust auf weitere humorvolle und leichte Kriminalgeschichten!
Ebenfalls rezensiert von books and cats
Beim nächsten #blogger_innensonntag am 24. November geht es um: Wolltest du schon einmal aufgeben?
Du möchtest keine Beiträge und Rezensionen mehr verpassen? Mit einem Klick kannst du unseren Blog abonnieren.
Unseren Blogger_innensonntag Newsletter kannst du separat unter info@hertzklecks.de anfragen.